Dienstag, 04 Januar 2022 11:19

Atommeiler sind nicht nachhaltig – Die EU-Kommission irrt Empfehlung

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Während Deutschland aus der Atomenergie aussteigt – unser Bild zeigt die Meiler in Grohnde, die in der Silvesternacht vom Netz gingen – soll die Kernkraft in anderen europäischen Ländern eine Renaissance erleben. Während Deutschland aus der Atomenergie aussteigt – unser Bild zeigt die Meiler in Grohnde, die in der Silvesternacht vom Netz gingen – soll die Kernkraft in anderen europäischen Ländern eine Renaissance erleben. Julian Stratenschulte (dpa)

Kommentar

Von Daniela Weingärtner

Der irrwitzige Plan der EU-Kommission zum Wohle der Kernkraft und des Erdgases zeigt auch: In Brüssel weiß man längst, dass die ehrgeizigen Fristen aus dem Green Deal nicht zu schaffen sind.

In vielen europäischen Haushalten wurden an Silvester kurz vor Mitternacht die Korken in der Sektflasche gelockert. Aus der EU-Kommission wurde zur selben Zeit ein Schreiben an die Mitgliedsstaaten verschickt, das einen lauteren Knall erzeugte als jede Flaschengärung. Atomkraft und Erdgas dürfen demnächst als "nachhaltige Übergangstechnologien" etikettiert und in Finanzprodukten entsprechend beworben werden.

Es geht nicht um die Option, diese Energiequellen direkt zu subventionieren. Doch Nachhaltigkeitslabel werden immer beliebter, auch bei der Geldanlage. Deshalb wurde die Entscheidung aus Brüssel mit Spannung erwartet, und der Veröffentlichungszeitpunkt stellt einen recht plumpen Versuch dar, den Aufreger im Aufmerksamkeitsloch um die Jahreswende verschwinden zu lassen.

Eine Mehrheit im Europaparlament oder eine Gruppe von mindestens 20 Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, könnten das Projekt noch stoppen. Doch damit rechnet niemand.

Denn mit ihrer Entscheidung sorgt die EU-Kommission dafür, dass die beiden einflussreichsten Mitgliedsländer Frankreich und Deutschland energiepolitisch zufriedengestellt werden und sich gegenseitig gewähren lassen. Zwar erklärte der neue grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck immerhin, dass Atomkraft nicht nachhaltig sei. Doch auch er hat sich inzwischen genügend Überblick verschafft, um zu sehen, dass Deutschland noch viele Jahre auf Gasenergie und Atomimporte angewiesen sein wird, wenn Industrie und privaten Haushalten nicht der Saft ausgehen soll.

Große Aufregung bei Umweltverbänden


Die EU-Kommission hat am Montag erläutert, dass es nur um Investitionen in Übergangslösungen, um die Nachrüstung der Sicherheitstechnik und Endlagerprojekte geht. Dennoch ist die Aufregung bei Umweltverbänden und ökologisch denkenden Zeitgenossen groß – zu Recht.

Denn es liegt nun ein Plan auf dem Tisch, der Milliarden in Atommeiler der 3. Generation "und höher" spült und damit Fakten schafft, die sich nicht in der von Brüssel anvisierten Zeitspanne bis 2045 wieder aus der Welt schaffen lassen. Von der Möglichkeit, längst schrottreife Akw aufzurüsten und bis 2040 weiter zu betreiben, ganz zu schweigen.

Müll strahlt mehrere Millionen Jahre


Genau deshalb müssten die französischen Nuklearpläne auch grundsätzlich anders beurteilt werden als das deutsche Festhalten an Gasimporten. Erdgas kann schrittweise durch CO2-ärmere Varianten ersetzt, das ganze Netz mittelfristig für den Transport von grünem Wasserstoff umgewidmet werden. Atommeiler liefern zwar schon heute klimaneutralen Strom, doch der dabei entstehende Müll strahlt mehrere Millionen Jahre. Der Rückbau der abgeschalteten Akw-Ruinen würde zudem viele weitere Generationen belasten.

In der Verordnung, die Parlament und Mitgliedsstaaten auf Vorschlag der EU-Kommission beschlossen haben, steht klipp und klar: Technologien, deren "langfristige Abfallbeseitigung eine erhebliche und langfristige Beeinträchtigung der Umwelt verursachen kann", dürfen nicht als nachhaltig kategorisiert werden, auch nicht übergangsweise. Es fallen einem wenige Beispiele ein, die besser in diese Kategorie passen als Atommüll.

Führt man sich die lächerlich kurzen Fristen vor Augen, in denen neue Meiler gebaut und wenig später wieder abgeschaltet werden sollen, lässt das nur einen logischen Schluss zu: In Brüssel weiß man schon, dass die ehrgeizigen Fristen aus dem Green Deal nicht zu schaffen sind. Deshalb richtet man den Blick auf CO2-arme Übergangsenergieträger, die aber deutlich länger ihren Dienst tun werden als bis 2050.

Kommissionschefin Ursula von der Leyen muss ja auch nicht fürchten, an ihren ehrgeizigen grünen Visionen gemessen zu werden. Bis der Schwindel auffliegt, ist sie längst nicht mehr im Amt.

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